Effektives Wartungs- und Instandsetzungs-Management fehlt
Auch nicht eingeweihte Beobachter sehen beim Überfahren der Jachmannbrücke am nordöstlichen Ende eine verhüllte im Wasser schwimmende Konstruktion und fragen sich:
Hat Verhüllungskünstler Christo schon einen Nachfolger in Wilhelmshaven?
Abb. 1: eingerüstetes Schleusentor, 21.6.2023, Foto Uhlendorf
Die im Hafengeschehen Eingeweihten wissen jedoch, dass sich dort unter den Abdeckplanen seit 2010 das fünfte Schleusentortor versteckt. Und ja, es wird dort gearbeitet.
Seit mindestens 5 Jahren!
Gemäß Auftrag sollte das Tor 2019 fertig sein. Dann erfolgten Verschiebungen bis Frühjahr 2020, später 2022; nach letzten Informationen aus gut unterrichteter Quelle ist das Ausheben des Tores jetzt für Herbst 2024 vorgesehen!
Solange dieses Tor nicht als Austauschtor zur Verfügung steht, wird jeder Fehler und Mangel an den vier im Einsatz befindlichen Toren zum Betriebsproblem, das einen geregelten Betrieb mit beiden Schleusenkammern unmöglich macht! Vielmehr ist auch hier festzustellen, dass die Mängel in der Abwicklung der Torsanierung zu weiteren Kostensteigerungen führen.
Aktuell musste das reparaturbedürftige Außentor der Westkammer ausgeschwommen werden und wird im Innenhafen am Kai liegend repariert. Da ein Dock dafür fehlt, muss es mit Tauchern, soweit möglich untersucht und instandgesetzt werden. Das ist langwierig, technisch und qualitativ nicht zufriedenstellend und teuer
Da kein Wechseltor zur Verfügung steht, bleibt die westliche Schleusenkammer dem Einfluss der Tide ausgesetzt. Und! Die Torkammer und die Schleusenkammer der nun zur See hin offenen Schleuse verschlicken! Besonders kritisch ist das für die Torkammer. Sie ist immerhin fast 60 m lang und ca. 13 m tief und verbunkert, d.h. mit einem starken Betondach abgedeckt, und kann deshalb nicht einfach mit einem im Küstenbereich gängigen Nassbagger geräumt werden. Es muss also ein passender Bagger für Binnengewässer zum Einsatz hergebracht werden.
Abb. 2: binnenseitiges Tor in der Torkammer, 29.6.2023, Foto: Uhlendorf
Erleben wir hier ein ähnliches Desaster wie bei den Autobahnen oder der Bahn und anderen Infrastruktureinrichtungen? Wird hier kaputtgespart?
Man könnte davon ausgehen, dass so profane Alltagsvorgänge wie der Betrieb und die Instandhaltung der Schleusen ohne Aufheben in der Öffentlichkeit, gewährleistet sind. Wenn da nicht irgendwo so etwas wie Systemfehler stecken würden.
Verzögerungen durch Corona, Fachkräftemangel, unvorhergesehene Schäden, Lieferengpässe, etc.. sind nachvollziehbar. Sie sind aber in der Nachbetrachtung eine Reaktion auf anders vorgefundene Rahmenbedingungen für die auszuführenden Arbeiten. Die Beschreibung der zu erbringenden Leistungen war unzureichend und eben anders als das seinerzeit eingeschaltete Ingenieurbüro sie geplant hatte. Wer haftet für die Fehlleistungen?
Dieser Fall ist aber nur ein kleiner Teil der Schleusengeschichte.
Beschaffung der neuen Scheusentore beschleunigen
Der weit größere Brocken ist der Ersatz der übrigen Schleusentore. Die sollen nach Intervention der WHV e.V. im Jahre 2019/20 und nach den damals schon vorliegenden schlechten Erfahrungen mit der Instandsetzung des noch bearbeiteten Tores neu gebaut werden.
Die Planung dazu wurde dem Wasserstraßen-Neubauamt für den Mittellandkanal in Hannover übertragen. Da auch dort eigentlich keine ausreichenden Ingenieurkapazitäten vorhanden waren, wurden die Entwurfsarbeiten an eine Ingenieurgemeinschaft vergeben.
Aus gut unterrichteter Quelle wird der jetzige Stand der Planung so eingeschätzt, dass die Entwurfsunterlagen Ende September dieses Jahres zur Genehmigung vorgelegt werden sollen, sodass die Ausschreibung der Neubaumaßnahme für Beginn 2024 erfolgen könnte.
Von der zügigen und konsequenten Umsetzung der Torneubauten hängt die Betriebssicherheit des einzigen Zugangs zum Innenhafen Wilhelmshaven ab!
Und damit auch der Zugang zum Marinearsenal, das gerade mit Milliardenaufwand instandgesetzt wird, und zu den vielen Firmen im Innenhafen, wie den Werften, Umschlagsunternehmen und Hafendienstleistern, die mit ihrem Geschäft auch zu den Steuern im Etat der Stadt beitragen.
Ein weiteres besonderes Augenmerk verdient die Frage nach der Betriebssicherheit dieser Schleusenanlage als kritische Infrastruktur. In mehrerlei Hinsicht ist die Seeschleuse sicherheitsrelevant:
Als militärische Anlage der Bundesmarine soll sie die Betriebssicherheit für die ein- und ausfahrenden Marineeinheiten gewährleisten und damit die Einsatzbereitschaft der Flotte sicherstellen!
Hochwasserschutz muss zeitnah umgesetzt werden
Zudem ist die Doppel-Schleuse mit ihren Toren ein Teil des Hochwasserschutzes innerhalb der Hauptdeichlinie! Deren Erhöhung wird bald abgeschlossen sein. Die alten Tore stellen eine Lücke dar, die bei dem derzeitig geplanten Zulauf der neu zu bauenden Tore im Abstand von zwei Jahren ab 2026/27 voraussichtlich erst 2031/2032 geschlossen wird! Wenn alles gut geht?
Aus diesen Gründen fordert die WHV e.V., die zu beschaffenden Neubauten möglichst in einem Auftrag zu vergeben, um eine frühzeitige Auslieferung zu erreichen. Um dieses Ziel zu unterstreichen, sollte eine monatliche Beschleunigungszulage ausgelobt werden, wenn die Frist unterschritten wird.
„Unabhängig davon“, so die Vorstände der WHV e.V., “sind damit die wirklichen Probleme des Schleusenbetriebes erst wirklich nachhaltig gelöst, wenn ein nachhaltiges Instandhaltungsprozedere für die Seeschleuse installiert worden ist.“
Dazu bedarf es einer klaren, eindeutigen Zuständigkeit und nicht einer Vielzahl von geteilten Zuständigkeiten in zweiter Linie. Dabei müssen alle Beteiligten partizipieren!“
Hintergrund:
Fakt ist, dass die Wilhelmshavener Hafenwirtschaft sowie die Marine im inneren Hafen hinter der Seeschleuse „4.Einfahrt“ nur dann dauerhaft wettbewerbsfähig und einsatzbereit sind, wenn die aus zwei Kammern bestehende Schleusenanlage reibungslos 365 Tage im Jahr funktioniert. Die Schleuse ist redundant gebaut worden, damit der Betrieb immer gewährleistet werden kann. Bei entsprechender Wartung muss immer mindestens eine Kammer betriebsbereit zur Verfügung stehen, damit Totalschließungen wie in 2018 mit 18 Tagen und 2019 mit 4 Tagen und 2020 mit einer Woche nicht vorkommen.
Die Realität sieht jedoch anders aus. Eine Schleusenkammer ist schon lange Zeit außer Betrieb und an der zweiten Kammer wird „Reparatur nach Ausfall“ der Schleusentore betrieben.
Nach uns vorliegenden Informationen aus dem Verteidigungsministerium, dem Eigner der Schleuse, standen für die sukzessive Grundinstandsetzung der fast 60 Jahre alten Schleuse, insbesondere der Schleusentore rd. 97 Millionen € (Stand 2019) zur Verfügung. Diese Summe gilt es in einem System der geplanten Instandsetzung und - haltung so einzusetzen, dass die technischen Probleme möglichst nicht auftreten. Deshalb bitten wir, die verantwortlichen Entscheidungsträger in der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung in Wilhelmshaven, im Neubauamt für den Ausbau des Mittellandkanals in Hannover und im Verteidigungsministerium in Berlin auf eine nachhaltige Sanierung der Seeschleuse mit einer angemessenen Personalausstattung für einen störungsfreien Betrieb hinzuarbeiten.
Siehe auch:
www.hafenwirtschaft-whv.de - Hafenfilm
www.wilhelmshaven-windenergie.de
Autor: WHV e. V.
Fotos: Hans-Joachim Uhlendorf
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