Die EU scheitert bei der Einigung auf ein gemeinsames Klimaziel; der Bundesregierung fehlt eine stimmige Vision für die Zukunft unserer Energieversorgung - die Umsetzung der Energiewende hakt. 42 Prozent der Befragten der EEHH-Umfrage meinen, dass für die Energiewende zu wenig getan werde. Mehr als ein Fünftel ist sogar der Meinung, dass Deutschland im internationalen Vergleich massiv zurückliege. Um die klimapolitischen Ziele noch zu erreichen, ergreifen immer mehr führende deutsche Industrieunternehmen die Eigeninitiative.
Die Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur hat im Juni 2019 unter ihren Mitgliedsunternehmen eine Umfrage zur aktuellen Situation der deutschen Energiewende durchgeführt. Leitfragen waren, was die Industrie selbst zum Klimaschutz beitragen kann, welche Impulse sie sich von der Politik wünscht und wie die Energiewende insgesamt besser gelingen könne. Dafür gaben die Clustermitglieder bereits konkrete Vorschläge, z. B.:
- einen stärkeren finanziellen Beitrag, gemessen am Gewinn eines Unternehmens einzuführen, und den CO2-Zertifikatehandel auf Unternehmensseite selbst zu organisieren
- sich gemeinschaftlich und öffentlich für die CO2-Bepreisung auszusprechen
- eigene Reduktionsziele zu bestimmen und ausschließlich grünen Strom einzukaufen oder selbst zu produzieren
- einen strengeren ordnungs- und/oder marktpolitischen Rahmen durch die Bundespolitik
EEHH-Geschäftsführer Jan Rispens: „Die befragten Unternehmensvertreter glauben, dass die Umstellung von Industrieunternehmen auf klimaschonende Energieversorgung die Politik positiv beeinflussen werde. Gleichzeitig machen fast drei Viertel der Befragten eine fehlende verständliche und klare Vision für die Energiewende bei der Bundesregierung als zentrales Hindernis bei der Energiewende aus. Nun liegt es an der Bundespolitik, den positiven Impuls zum Klimaschutz in der deutschen Industrie in eine langfristige Vision und Energiepolitik aufzunehmen.“
Klimaziele von Industrieunternehmen
Der Klimaschutz beschäftigt nicht nur Politik, sondern auch die Industrie: Rund ein Viertel der Befragten glaubt, dass das Bewusstsein für die Erfordernisse des Klimaschutzes in deutschen Industrieunternehmen ausgeprägter ist als in der nationalen Politik.
42 Prozent der Befragten äußerten, dass Sie in den Absichtserklärungen von Großkonzernen, klimaneutral zu produzieren, Vorbildcharakter für sich und andere Unternehmen sehen. Insgesamt war über die Hälfte der Befragten der Meinung, dass Eigeninitiative zum Klimaschutz auf Unternehmensseite die Energiewende voranbringe.
Darüber hinaus sehen viele Umfrageteilnehmer durch privatwirtschaftliche Unternehmen eine inhaltliche Bereicherung der Diskussion um die Energiewende. Dass diese dadurch glaubhafter werde, denken 45 Prozent der Befragten. Knapp 40 Prozent glauben in diesem Zusammenhang an positive Impulse aus der Industrie an die Politik und an die Vorbildfunktion für andere Unternehmen. Ein Drittel der Befragten hat allerdings Bedenken, dass viele Unternehmen diese Pläne vermeintlich nur zu Imagezwecken verfolgen, was die Debatte verwässern könnte.
Genehmigungspraxis und Erfahrungswerte mit Bürgerinnen und Bürgern
Vielen wird der Wechsel auf neue Energieträger nicht konsequent genug vollzogen. Verantwortlich für die schleppende Umsetzung der Energiewende sind nach Meinung von fast 80 Prozent die nach wie vor starke Lobby für fossile Energieträger. Fast drei Viertel der Unternehmen kritisieren eine fehlende Vision der Bundesregierung.
An dritter und vierter Stelle der Hemmnisse bei der Energiewende wurden von zwei Dritteln der Befragten die aktuelle Genehmigungspraxis in den Bundesländern und Kommunen und von über der Hälfte der Widerstand aus Bürgerinitiativen angeführt. Bei der Realisierung von konkreten Projekten sprechen allerdings über zwei Drittel der Befragten von positiven Erfahrungen mit Bürgern, etwa in Bürgerdialogen und Beteiligungsverfahren. Ein knappes Drittel der Unternehmen verspürt hingegen eine abnehmende Akzeptanz gegenüber der Energiewende in der breiten Bevölkerung. Auch an der Basis regen sich demnach Widerstände gegen die Energiewende.
Um dem entgegenzuwirken, sprechen sich jeweils ungefähr zwei Drittel der Unternehmensvertreter dafür aus, dass die Bundesregierung eine verständliche und überzeugende Vision für die künftige Energieversorgung entwickeln müsse, und dass sowohl die Entstehung künftiger Arbeitsplätze durch die Energiewende als auch der Innovationsschub kommuniziert werden müssten. Über die Hälfte ist ebenfalls der Meinung, dass die Folgekosten einer verfehlten Energiewende vermittelt werden müsste.
Förderprogramme und Zukunftstechnologien
Fast 70 Prozent sind sich einig, dass eine CO2-Steuer für die künftige Energiepolitik notwendig sei; nur 27 Prozent setzen hingegen auf den CO2-Zertifikatehandel. Über die Hälfte der Befragten hält am kompromisslosen Kohleausstieg bis 2038 fest. Aber auch die Förderung von Erneuerbaren Energieprojekten mit starken regionalen Bezügen und die Förderung von Energieeinsparmaßnahmen werden von je über 60 Prozent der Befragten als sinnvoll erachtet. Bei konkreten aktuellen Förderprogrammen wie den „Reallaboren“ wird eine klare Einschätzung sichtbar: 58 Prozent der Befragten antworteten, dass solche Förderprogramme von aktuell mangelhafter und inkonsistenter Energiepolitik ablenken würden. Nur sechs Prozent halten diese Form der Unterstützung der Industrie durch die Politik für sinnvoll. Damit sie den gewünschten Effekt haben könne, müsse erst die Regulatorik der Energiemärkte innerhalb der Projektlaufzeit verbessert werden, gaben 45 Prozent der Befragten an.
85 Prozent der befragten Unternehmen finden, dass Energiespeicher als Zukunftstechnologien gefördert werden sollten. Drei Viertel der Befragten halten die Wasserstofftechnologie für Fahrzeuge besonders förderungswürdig. Um Zukunftstechnologien und Power-to-X-Projekte voranzubringen, wünscht sich mehr als die Hälfte der Befragten, dass Umlagen und Netzentgelte für alle „systemdienlichen“ Maßnahmen abgeschafft werden.
Branchennetzwerk Erneuerbare Energien Hamburg (EEHH):
Mit derzeit mehr als 190 Unternehmen und Institutionen bündelt das EEHH-Cluster die Kompetenzen von Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Institutionen aus der Metropolregion Hamburg im Erneuerbaren-Energien-Sektor.