Deutschland ist die Drehscheibe des europäischen Strommarktes. Das bedeutet, dass wir Strom importieren, transportieren und exportieren. Sowohl durch den Stromhandel als auch die Entfernung zwischen Stromerzeugungsregionen und Verbrauchszentren innerhalb Deutschlands ergibt sich im deutschen Übertragungsnetz zunehmend ein Lastfluss von Nord-Ost nach Süd-West. Jedoch reicht die Kapazität unseres Übertragungsnetzes derzeit nicht für die Transportmengen an Strom aus. Netzeingriffe - sogenannte Redispatch-Maßnahmen - mit denen man Stromerzeuger hoch- oder herunterregelt sind die Folge. Vor dem Hintergrund des fehlenden Netzausbaus und fehlender Erzeugungskapazitäten in Süddeutschland stellt uns das Redispatch-Potential innerhalb Deutschlands sowie aus dem europäischen Ausland vor immer größere Herausforderungen. Daher ist es wichtig, dass wir für Redispatch-Maßnahmen alle zur Verfügung stehenden Mittel mobilisieren: Zukünftig spielt hierbei die Integration von Kleinstflexibilitäten, beispielsweise von Elektrofahrzeugen, Wärmepumpen oder PV-Dachanlagen eine tragende Rolle. Um digitale Lösungen zur Einbindung dezentraler Anlagen in den Redispatch-Prozess zu entwickeln, hat sich ein neues Konsortium bestehend aus dem Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT, dem OFFIS e.V. - Institut für Informatik, der be.storaged GmbH, der OLI Systems GmbH, der Deutschen Kommission Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik in DIN und VDE und der TenneT TSO GmbH sowie dem österreichischen Partner Ubimet gebildet. Ab Oktober 2022 wird es unter finanzieller Förderung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz seine Arbeit im Projekt "DEER - Dezentraler Redispatch: Schnittstellen für die Flexibilitätsbereitstellung" aufnehmen.
Mit dem Projekt DEER untersuchen die Projektpartner Lösungen zur Einbindung dezentraler Anlagen in den übergeordneten Redispatch-Prozess, um so das Potenzial von Kleinstflexibilitäten nutzbar zu machen. Ziel des Projekts ist es, das aggregierte Flexibilitätspotenzial kleinteiliger Anlagen mittels dezentraler Agenten "on-the-Edge", also auf dem Endgerät, koordiniert zu steuern. Dabei wird untersucht, wie digitale Technologien eine sichere, robuste und anlagenscharfe Nachweiserbringung und Abrechnung dieser Anlagen an der Schnittstelle zu Flexibilitätsplattformen ermöglichen können. Im Rahmen des Projekts wird insbesondere das Potenzial eines verteilten Agentensystems für das Flexibilitätsmanagement mithilfe von Edge-Computing sowie von selbstsouveränen Identitäten (SSI) und Zero-Knowledge-Proofs (ZKPs) untersucht. Während KI-basierte Algorithmen für die Organisation der dezentralen Anlagen verwendet werden sollen, können SSI und ZKPs einen signifikanten Mehrwert für die Kommunikation von Stamm- und Bewegungsdaten ohne Speicherung personenbezogener Daten auf einer Blockchain liefern. Das Projekt ist dabei auf eine Laufzeit von drei Jahren ausgelegt.
Die Projektbeteiligten freuen sich besonders, dass das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) das Projekt im Rahmen des Förderprogramms "Entwicklung digitaler Technologien" in der Kategorie "Edge Datenwirtschaft" als Gewinner auszeichnete und damit mit einer Summe von rund zwei Millionen Euro fördert. Als Konsortialführer nahm Dr. Marc-Fabian Körner vom Institutsteil Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT die Gewinnerurkunde bereits im August 2022 im Rahmen der "Tage der digitalen Technologien" des BMWK entgegen. Stellvertretend für das Konsortium erläuterte Dr. Marc-Fabian Körner: "Sogenannte Redispatch-Maßnahmen zielen darauf ab, Engpässe im Stromnetz aufzulösen. Derzeit bedeutete dies meist eine Abregelung von erneuerbarer Erzeugung bzw. das Anfahren von konventionellen Kraftwerken. Mit dem aktuellen Redispatch-2.0-Regime, können bereits erste Erneuerbare Energieanlagen und KWK-Anlagen sowie steuerbare Lasten von mehr als 30 kW von Netzbetreibern ferngesteuert werden. Kleinstflexibilitäten, wie z.B. Elektrofahrzeuge oder PV-Dachanlagen, werden jedoch in der Regel nicht eingebunden. Die Integration genau dieser Kleinstflexibilitäten wird in der Zukunft jedoch dazu führen, die Gesamtsystemkosten zu senken sowie die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen zu fördern."
Quelle: TenneT