Dem grünen Gas zum Durchbruch verhelfen - Darauf zielte das 2. Wasserstoffsymposium in der Stadthalle Bremerhaven ab – mit Vorträgen zum aktuellen Stand der Technologie und der Vorstellung von Zukunftsprojekten.
Bereits zum zweiten Mal hat die BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH zu einem Wasserstoffsymposium eingeladen. Die Zahl der Teilnehmer zeigte Anfang November: Das Thema ist für die hiesige Wirtschaft von Interesse und Bedeutung. Über 200 Vertreter aus Unternehmen, Behörden, Institutionen und Forschungseinrichtungen waren in die Stadthalle Bremerhaven gekommen, um mehr über das als Energieträger der Zukunft gehandelte Gas zu erfahren – etwa wo es bereits erfolgreich zum Einsatz kommt, welche Herausforderungen für den Durchbruch von Wasserstofftechnologie in der Industrie und Mobilität zu meistern sind und wie Akteure in Bremerhaven und der Nordwestregion dazu beitragen, den Prozess zu beschleunigen. Zu diesen Themen hatten die Initiatoren des Symposiums Experten aus den Bereichen Wirtschaft, Forschung und Entwicklung eingeladen. Unter ihnen war Torben Jersch vom Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme (IWES) in Bremerhaven, der ein vom Land Bremen und der EU jeweils mit zehn Millionen Euro gefördertes Zukunftsprojekt vorstellte: Auf dem Gelände des ehemaligen Flughafens Luneort und in direkter Nachbarschaft des neu entstehenden nachhaltigen Gewerbegebiets „Lune Delta“ baut das IWES ein ElektrolyseTestfeld auf. Geplantes Herzstück ist der Prototyp eines 8-Megawatt-Windrads. Dieser soll ausreichend Strom aus erneuerbaren Energien liefern, um in bis zu zehn Elektrolyseuren Wasserstoff in einer Größenordnung herzustellen, die für Kunden aus der Industrie interessant ist.
Die Wissenschaftler wollen mit der Anlage eine Tonne Wasserstoff täglich produzieren. Zum Vergleich: Mit dieser Menge lassen sich rund 200 Autos für eine Reichweite von 600 Kilometern betanken. Zudem wird vor Ort die Möglichkeit geschaffen, die elektrischen Eigenschaften von Elektrolyseuren im Zusammenspiel mit der schwankenden Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energien ins Netz zu testen. „Das ist weltweit einzigartig und ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin, Wasserstofftechnologie in der Breite einzuführen“, erklärte Torben Jersch.
Dabei kooperiert seine Einrichtung mit dem Technologietransferzentrum Bremerhaven (ttz) und der Hochschule Bremerhaven, die, auch im Rahmen des geförderten Projektes, demnächst die Anwendung des grünen Gases erforschen. Prof. Dr. Carsten Fichter vom Institut für Windenergie an der Hochschule gab einen ersten Einblick. Demnach kann Wasserstoff als alternativer Kraftstoff zukünftig in vier Bereichen eingesetzt werden: in der maritimen Wirtschaft, im Verkehr, in der Logistik und zudem in der Lebensmitteltechnik. So seien Wasserstoff-Öfen in Bäckereien vorstellbar.
„Wir wollen Bremerhaven zu einem Kompetenzzentrum für Wasserstoff machen. Das Modellprojekt der Partner ist ein wichtiger Baustein dafür, aber sicher nicht der einzige“, sagte Claudia Schilling, Senatorin für Wissenschaft und Häfen in ihrer Begrüßungsrede. Dafür tausche man sich im Rahmen der Norddeutschen Wasserstoffstrategie regelmäßig mit Akteuren der beteiligten fünf Bundesländer aus. Jochen Kreß, Referent in ihrem Ressort, erläuterte die Strategie und nannte das gemeinsame Ziel der Projektpartner: Bis zum Jahr 2035 eine Wasserstoffwirtschaft in Norddeutschland aufzubauen. Um es zu erreichen, sei man offen für Innovationen.
Von Hybridantrieben und H2-Speicherstoffen Auch aus diesem Grund stand beim 2. Wasserstoffsymposium Best-Practice von außerhalb auf dem Programm. Firmenvertreter der Clean Logistics GmbH, der hySOLUTIONS GmbH und HOCHBAHN Hamburg sowie der Eisenbahn- und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (evb) gaben Einblick in praktische Erfahrungen mit Wasserstoffhybridantrieben für Straße, Wasser und Schiene. evb-Geschäftsführer Dr. Marcel Frank berichtete zum Beispiel von dem vor einem Jahr in Betrieb genommenen Wasserstoff- Brennstoffzellenzug „Coradia iLint“. Dieser fährt mehrmals täglich von Cuxhaven via Bremerhaven nach Buxtehude und wird derzeit noch über eine mobile Einrichtung in Bremervörde betankt. Bis Ende 2021 will das Unternehmen 14 weitere Wasserstoffzüge auf die Schiene bringen und dafür eine H2Tankstelle errichten.
Die Referenten machten deutlich, dass die aktuelle Wasserstoffinfrastruktur ein Hemmnis darstelle. So gebe es noch zu wenige Tankstationen und für den Bau eigener müssten Sicherheitsvorkehrungen getroffen und Genehmigungen eingeholt werden. Eine Lösung für die Wasserstoff-Verteilung über die vorhandene Kraftstoff-Infrastruktur stellte Dr. Jonas Obermeier von der Hydrogenious Technologies GmbH vor: LOHC-Technologie. Hinter dieser Abkürzung steckt ein Liquid Organic Hydrogen Carrier wie zum Beispiel Dibenzytoluol, eine ölartige organische Substanz, die Wasserstoff chemisch bindet. „Durch die Speicherung von Wasserstoff im flüssigen LOHC lassen sich große Strommengen umweltfreundlich und völlig ungefährlich zum Beispiel über Frachtschiffe transportieren und am Bestimmungsort freisetzen. Die Trägersubstanz Dibenzytoluol wird nicht verbraucht und kann beliebig oft mit Wasserstoff be- und entladen werden“, erklärte Jonas Obermeier seinen Zuhörern. In den USA hat Hydrogenious bei Unternehmen, in denen Wasserstoff als Nebenprodukt anfällt, entsprechende LOHC-Anlagen aufgebaut. Dort wird das Gas gespeichert und an Firmen
geliefert, die diese Energie brauchen können oder es dient zum Antrieb von Brennstoffzellenautos.
Förderung für nachhaltig produzierende Elektrolyseure Die LOHC-Wasserstofftechnologie stellt aber auch eine Möglichkeit dar, Strom aus Solar- und Windparks zu speichern und ohne zusätzlichen Netzausbau zu befördern. Damit ist sie für ein weiteres Großprojekt interessant, das auf dem Symposium präsentiert wurde: das Konzept für eine 400 MW Offshore-Anlage von Energieexperten der Tractebel Engineering GmbH und Ingenieuren der Tractebel Overdick GmbH. Zum Entwicklerteam gehört unter anderem Klaas Oltmann, der betonte: „Diese Plattform auf dem Meer für die Herstellung von grünem Wasserstoff in industriellem Maßstab könnte schon heute in der Nordsee realisiert werden.“
Zwei Projekte die Marcel Keiffenheim von Greenpeace Energy befürwortet, denn Forschungsvorhaben wie diese seien notwendig für die Vollendung der Energiewende. „Wenn wir mehr grüne Gase wollen, brauchen wir auch viel mehr erneuerbare Energien.“ Um der Technologie hierzulande auf die Sprünge zu helfen, schlägt er ein zeitlich begrenztes Marktanschubprogramm vor. So sprach sich Keiffenheim dafür aus, dass Elektrolyseure mit hohem Erneuerbaren-Anteil an der Stromerzeugung von Abgaben, Entgelten und Umlagen auf Strombezug befreit werden oder Förderung in entsprechender Höhe erhalten. „Die Veranstaltung machte eindrucksvoll deutlich: Es gibt bereits viele gute Ansätze sowie konkrete Pläne, um Infrastrukturen für eine Wasserstoffwirtschaft zu schaffen, die Technologie marktreif und bezahlbar zu machen. Diese gilt es nun zu bündeln, auf ihre Machbarkeit hier in Bremerhaven oder in der Region zu prüfen und gegebenenfalls auch umzusetzen“, resümierte Nils Schnorrenberger, Geschäftsführer der BIS und Moderator der Veranstaltung, deren dritte Auflage Ende 2020 derzeit schon geplant wird.
Fotonachweis: BIS Bremerhaven/W. Scheer
Pressekontakt: BIS Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH Annette Schimmel Telefon: 0471 - 94646-620 schimmel@bis-bremerhaven.de