Starke Importabhängigkeit von Rohstoffen, viel zu hohe Energiepreise, hohe Personalkosten, ausufernde staatliche Regulierung, ausgeprägte Bürokratie, verbreiteter Arbeitskräftemangel – um nur einige Problempunkte zu nennen.
Dazu ein Staat im Multikrisenmodus und eine Regierung, die versucht, den vielseitigen aktuellen Herausforderungen nach innen und außen gerecht zu werden.
Hinzu kommt noch das Mammutprojekt Energiewende, das mit großen Anstrengungen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft über die nächsten Jahrzehnte gemanagt werden muss. Ein kompletter Umbau des Energiesystems für den Industriestandort Deutschland, der mit planwirtschaftlich anmutenden Methoden (d.h. häufig ideologisch getrieben) umgesetzt werden soll, wird viel Staatsvermögen (Steuergeld) benötigen („whatever it takes“?). – Werden die Maßnahmen im Zuge der Energiewende angesichts der oben genannten, zurzeit ungünstigen Rahmenbedingungen mit gebotenem Augenmaß veranlasst, ohne nachhaltigen Schaden für unsere Volkswirtschaft zu verursachen?
Die aktuellen Herausforderungen sind groß und der Handlungsdruck wächst
Eine Transition der gesamten Energiewirtschaft braucht Zeit und auf dem Weg zur sicheren und kostengünstigen Energieversorgung vor allem auch kluge und weitsichtige politische Entscheidungen, um das Land nicht wieder in Abhängigkeiten zu manövrieren, um teure Fehlentwicklungen zu vermeiden. Denn vieles, was auf der zukünftigen Strom-Wasserstoff-Technologie des neuen Energiesystems beruht, ist für den Betrieb einer ganzen Volkswirtschaft technisch und wirtschaftlich noch nicht verlässlich untersucht, geschweige denn durchgängig erprobt und infrastrukturell etabliert. – Eine treibhausgasneutrale Wirtschaft in Deutschland/Europa bis 2045 ist ein ambitioniertes Ziel, eine klimaneutrale Welt bleibt (aus verschiedenen Gründen) bis auf Weiteres wohl eine Utopie!
Aktuell nicht wettbewerbsfähige Energiepreise in Deutschland
Insbesondere die anhaltend hohen Energiepreise sowie die vielerorts mangelnde Planungssicherheit im beginnenden Transformationsprozess zum klimaneutralen Wirtschaften machen es der energieintensiven Industrie und dem beteiligten Gewerbe schwer, am Standort Deutschland zu produzieren, zu investieren bzw. zu bleiben!
Angesichts dieser Voraussetzungen kommen vermehrt Reaktionen von energieintensiven Großunternehmen: Konzerne wie z.B. BASF, DOW Chemical, die Automobil- und Stahlindustrie vermelden, die Produktion reduzieren oder ins Ausland verlagern zu wollen. Auch die High-Tech-Firma Meyer Burger verkündete im Juni d.J., ihre Photovoltaik-Modul-Fabrikation aus Deutschland in die USA zu verlegen.
Kurzarbeit in Produktionsbetrieben sowie Insolvenzen von mittelständischen Unternehmen nehmen zu. Hier wird der Staat kurzfristig arbeitsmarktpolitische Gegenmaßnahmen treffen müssen.
Region Wilhelmshaven mit viel Potential – Standortvorteile jetzt nutzen
Die von der Marine dominant geprägte kreisfreie Hafenstadt Wilhelmshaven rangiert gemäß Regionalranking der IW Consult GmbH 2022 auf einem der letzten Plätze der 400 Landkreise und großen selbständigen Städte.
Eigentlich verwunderlich, denn die Region hat aufgrund der geografischen Lage, Geologie, bestehender Infrastruktur, Industrie und Gewerbe viel Potential. Die Stadt profiliert sich mit dem einzigen deutschen Tiefwasserhafen, dem Container Terminal Wilhelmshaven (CTW) und zukünftig verstärkt mit dem Energy Hub - Port of Wilhelmshaven. Denn die Energiewende – sei es durch die Abkehr von russischem Erdgas oder die politisch gewollte Transition zur klimaneutralen Energiewirtschaft – schafft Hoffnung, dass sich die Region Wilhelmshaven innerhalb der nächsten ca. 10 Jahre zu einer der größten Energie-Drehscheiben Deutschlands entwickeln könnte.
Die lokalen Gegebenheiten hierfür sind hervorragend und das Investitionsinteresse namhafter Unternehmen, die sich im Energy Hub – Port of Wilhelmshaven zusammengeschlossen haben, ist groß.
Ein großes Infrastrukturprojekt, der Bau und die Inbetriebnahme des ersten deutschen LNG-Terminals mit FSRU, wurde bis Ende 2022 erfreulich schnell umgesetzt, weitere Vorhaben sind im Bau oder in Planung. Auch im Hafen wird investiert und es gibt rege Nachfrage für Gewerbeflächen.
Die Stadt und das Umland, d.h. die Landkreise Friesland, Wittmund und Wesermarsch, wollen sich mit dieser Entwicklungsperspektive nicht nur als Standort für die Produktion und den Import von erneuerbaren Energien für Deutschland etablieren, sondern sehen es als Chance, im gesamten regionalen Rahmen Wertschöpfung zu generieren.
Mit vielen Anstrengungen zur Verbesserung der Tourismusangebote und hat sich Wilhelmshaven als „Hauptstadt“ des UNESCO-Weltnaturerbes und Biosphärenreservat Wattenmeer klar für nachhaltiges Wirtschaften positioniert.
So weit, so gut.
Rückschläge
Aber es gibt leider auch Negativbotschaften, die uns bewogen haben, deutliche Mahnungen an die verantwortlichen politischen Gremien zu richten.
Ein eindrucksvolles Beispiel für die aktuell ungünstigen Wirtschaftsbedingungen ist die Absage der Papier- und Kartonfabrik Varel (PKV): „Kartonfabrik Varel stoppt Neubaupläne in der Jadestadt“ titelte die Wilhelmshavener Zeitung am 13.Juni 2023. Nachdem dieses Vorhaben als Leuchtturmprojekt in und für die Region gesehen worden war, kam die Nachricht wie ein plötzlicher K.O.-Schlag, zumal das Unternehmen als florierendes Unternehmen bekannt ist.
Auf dem Gelände des ehemaligen Uniper-Kohlekraftwerks, das Ende 2020 abgeschaltet wurde, hätten mit dem Projekt der Papier- und Kartonfabrik an die 400 neue Arbeitsplätze geschaffen werden können! Es sollte eine Investition in ein Wachstumsprojekt zur Herstellung ultraleichter Wellpappen werden, um die steigende Nachfrage z.B. aus der Verpackungs- und Versandindustrie zu decken. Die beabsichtigte Produktionssteigerung durch den Neubau in Wilhelmshaven bleibt nun aus. Das führt in der Region und in Deutschland in doppelter Hinsicht zu Schaden und Einbußen: Das Unternehmen hätte im Interesse nachhaltiger Ressourcenschonung vermehrt Recyclingmaterial verarbeitet und es hätte mit der Ansiedlung in Wilhelmshaven einen bedeutenden Beitrag zur Wertschöpfung und Arbeitsplatzsicherung in der Region geleistet.
Die Absage der Papier- und Kartonfabrik Varel hat, nach viel Unterstützung für eine Ansiedlung in Wilhelmshaven, eine enttäuschte Stimmung hinterlassen, die nach Erklärung sucht.
Das Unternehmen PKV hat nach langer und aufwändiger Planungszeit die Gesamtlage als zu unsicher für eine so große Investition eingeschätzt. Die Entscheidung musste deshalb gegen die Realisierung des Vorhabens in Wilhelmshaven fallen. Zu den unsicheren Rahmenbedingungen zählen nach den Feststellungen der PKV die dramatische Baukostenentwicklung sowie die mangelnden kurzfristigen Perspektiven für eine wettbewerbsfähige Versorgung mit grüner Energie. Der aktuelle Ausblick für die Wirtschaftsentwicklung in Deutschland, Europa und der Welt trage auch zu der negativen Entscheidung bei. Auch das ausufernde Regulierungsbestreben der Bundesregierung mit tiefgreifenden Reporting-Anforderungen und mangelnde Rechts- und Planungssicherheit seien nicht dazu angetan, im Wettbewerb mit Wirtschaftsräumen, die einen anderen Weg gehen, zu bestehen.
Rasche politische Weichenstellungen erforderlich
Schleichende Produktionsverlagerung ins Ausland und ihre Folgewirkungen machen deutlich, dass die Rahmenbedingungen für eine günstige Wirtschaftsentwicklung in Deutschland derzeit nicht passen – im Vergleich z.B. mit den USA, die über preisgünstige Energie verfügen und über den „InflationReduction Act“ konjunkturelle Maßnahmen fördern, um Produktion und Investitionen im Land zu halten. Somit scheint die oben beispielhaft beschriebene Investitionsabsage in der Region Wilhelmshaven eine gesamt-politische Stimmungslage wiederzugeben, die sich für den Wirtschaftsstandort Deutschland desaströs entwickeln könnte.
Deshalb muss - nach unserer Ansicht - die Bundesregierung zügig entscheiden und handeln, um insbesondere die Energiepreise in Deutschland auf ein wettbewerbsfähiges und sozial verträgliches Niveau zu bringen. Durch Bürokratieabbau und verkürzte Genehmigungsverfahren im Stil der neuen Deutschland-Geschwindigkeit müssen Staat und Verwaltungen handlungsfähig gemacht werden, um den Infrastrukturausbau zu beschleunigen und Investitionen in Industrie und Gewerbe zu erleichtern.
Des Weiteren erwarten wir für den notwendigen Import von grünen Energien und die dafür dringend erforderlichen Investitionen in neue Hafeninfrastrukturen – auch für die Offshore-Windenergie – eine maßgebliche Beteiligung des Bundes!
In Bezug auf die Energiewende muss u.a. auch Forschungs- und Technologieoffenheit gewährleistet sein, damit die technisch sinnvollsten, wirtschaftlichsten und nachhaltigsten Lösungen zur Anwendung kommen.
Damit könnte Deutschland und im Übrigen auch der Region Wilhelmshaven geholfen werden!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre
Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung e.V.
John H. Niemann Hans-Joachim Uhlendorf
Präsident Vizepräsident
CC.:
· Dr. Robert Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz
· Christian Lindner, Bundesminister der Finanzen
· Stephan Weil, Niedersächsischer Ministerpräsident
Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung
Siehe auch:
www.hafenwirtschaft-whv.de - Hafenfilm
www.wilhelmshaven-windenergie.de
Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung e.V. | Luisenstraße 5 | 26382 Wilhelmshaven
Tel.: 04421/44700 | Fax: 04421/43462 | E-Mail: info@whv-wilhelmshaven.de